Jahreshauptversammlungen sind meist ein Hort der klaren Worte. Ziel ist es ein Wir-Gefühl zu erzeugen, welches nicht selten durch Abgrenzung zum Nicht-Wir erfolgt. So geschah es auch am vergangenen Wochenende. Borussia Dortmund lud zur JHV, und es wurde kräftig ausgeteilt. Als Fan der Borussia aus Dortmund bin ich für dieses Unterfangen leicht empfänglich. Nur beließ es Hans-Joachim Watzke nicht beim üblichen Spott gegenüber der Konkurrenz, sondern bezog auch den eSport in seinen Hohn mit ein.
Watzke äußerte sich auf die Frage zum Thema eSport, also dem möglichen Betrieb eines Videospiel-Teams, wie es Schalke 04 macht: „Ich finde das komplett scheiße. Und es hat sich bewährt, nicht alles zu machen, was Schalke macht.“
Natürlich bringt der Hohn gegenüber Schalke die Westfallenhalle zum kochen und ist ein Garant für Jubelstürme. Doch war die Äußerung von Hans-Joachim Watzke wohl durchdacht? Kritik am eSport ist legitim, selbst die Wortwahl „scheiße“ kann ich als Ruhrpottler durchgehen lassen. Gleichwohl passt das gesprochene Wort absolut nicht mit der Realität zusammen und deshalb vertrete ich die Meinung, dass sich Hans-Joachim Watzke an der Stelle vergaloppiert hat.
Mehr als 30 Sportvereine sind mittlerweile im eSport aktiv. Gerade der BVB predigt seine Ambitionen im Bereich der Internationalisierung. Asien sei der Markt, den Borussia Dortmund für sich erschließen müsse. Wer in diesem Kontext den eSport als scheiße bezeichnet, der verteufelt das ideale Marketinginstrument, um genau jene Zwecke zu erreichen.
Gleichzeitig ziert Marco Reus aktuell das Cover von FIFA17 und Borussia Dortmund unterzeichnete einen Exklusivvertrag mit Konami, dem Hersteller von Pro Evolution Soccer, der kürzlich erst verlautbarte, dass das eSport-Engagement ausgeweitet wird. In der Chefetage von Konami wird Watzkes Stellungnahme für Augenroller gesorgt haben. Einerseits hochpreisige Verträge im „eSport“-Umfeld abschließen, jedoch gleichzeitig das Produkt eSport scheiße finden, das passt nicht zusammen.
Mit MediaMarkt und Coca Cola hat der BVB zwei weitere Partner im Boot, die sich ebenfalls stark im eSport engagieren. Auch hier wird Watzkes Statement keine Jubelsprünge ausgelöst haben.
Letztendlich hat sich Hans-Joachim Watzke vermutlich von den Emotionen treiben lassen. Ein flapsiger Spruch, der dennoch eine fatale Wirkung hat. So bleibt mir nur zu sagen, dass das Thema eSport für Borussia Dortmund von erheblicher Relevanz sein könnte und Hans-Joachim Watzke in einigen Jahren sagen wird, da hab‘ ich wohl Scheiße erzählt.

You must be logged in to post a comment Login