Im zweiten Teil des exklusivem Interviews von escene.de mit dem Managing Director Alexander Müller von der deutschen Organisation SK Gaming geht es um die Themen Emotionen im eSport, Anfeindungen, den Journalismus in der Szene und die mögliche Gefahr eines Sellingouts durch große Investoren. Hier könnt ihr den ersten Teil des Interviews noch einmal nachlesen.
»Da überlegt man sich, ob die Leute, die sich Reporter nennen, in irgendeiner Form zu heiß gebadet wurden.«
escene.de: Du hast in deinem Vortrag angesprochen, dass eSport für dich vor allem Emotionen bedeutet. Glaubst du, dass gerade dieser Bereich den Sport so besonders macht? Sind die Emotionen der Selling Point des eSports?
Alexander Müller: Absolut. Ich mein, man muss sich überlegen: Ich hab in Köln Volkswirtschaftslehre studiert und während meines Studiums haben wir Turtle Entertainment aufgebaut. Ich hatte eigentlich einen ganz anderen Plan vom Leben. Aber irgendwas hat mich doch im eSport gehalten. Irgendwas lässt mich doch auch die ganzen negativen Kommentare bei HLTV.org, im IRC oder auf unserer eigenen Seite ertragen. Und da ist nicht alles schön. Teilweise wird man ja mit Sachen angefeindet, da packt man sich an den Kopf. Auch was in diesem Jahr bei dem Wechsel der Brasilianer (
Wechsel von Luminosity zu SK Gaming, Anm. d. Red.) teilweise geschrieben und gesagt wurde, ist unglaublich. Wie da gegen Personen vorgegangen worden ist. Oder auch letztes Jahr beim League-of-Legends-Skandal (Personalentscheidungen innerhalb des SK-Teams, Anm. d. Red.). Da überlegt man sich, ob die Leute, die sich Reporter nennen, in irgendeiner Form zu heiß gebadet wurden. Das Schöne an diesem Markt ist, dass wir selber etwas gebaut und erschaffen haben. Counter-Strike steht ganz oben. Warum? CS ist eine Modifikation von Half-Life. Es war kein Spiel, das in der Industrie entstanden ist. LoL basiert auf einem Modus, der von einer Community programmiert wurde. Wir müssen erst einmal sehen, wo wir herkommen und wo wir hingehen. Und da sind meiner Meinung nach sehr viele schlaue Köpfe oben, die viel mehr Lob als die ganze Zeit nur Kritik bekommen sollten, bloß weil es bequem ist, immer negativ zu reden.
»Das Schöne an diesem Markt ist, dass wir selber etwas gebaut und erschaffen haben.«
Hast du Angst, dass der eSport seine „Seele“ und die Emotionen verlieren könnte, nur weil jetzt Investoren mit dem großen Geld ankommen? Oder schätzt du die Expertise in der Szene so groß ein, dass es zu keinem „Sellingout“ kommen kann?
Bei dem was ich bisher erlebt habe, war der Einfluss von außen gering. Bei Turtle Entertainment hatten wir auch am Anfang Business-Angel-Kapital (Geld von erfahrenen Unternehmern für heranwachsende Firmen, Anm. d. Red.). Wir durften weiter unseren Rock’n’Roll machen. Und auch bei uns als Teams ist das so. Man vertraut uns viel mehr, als man von außen denkt. Aber was auch klar ist: Wenn wir als Fans vor dem Flatscreen sitzen und bei unfassbar coolen Momenten Popcorn dagegen schmeißen wollen, dann müssen wir uns überlegen, dass wir einen gewissen Preis dafür zahlen. Es gibt Menschen, die müssen Marketinggelder loseisen, damit wir das so genießen können. Dafür müssen wir deren Werbung und deren Produkte genauso akzeptieren und respektieren, wie sie diese „präsentieren möchten.“ Wir helfen denen dabei, sodass es für die Community ein Mehrwert ist. Unabhängig schaffen die Werber mit ihren Geldern auch einen großen Mehrwert. Woraus sollen sich die Ligen und Turniere denn sonst finanzieren, wenn nicht aus Werbegeldern oder Einschaltquoten? Also an irgendeiner Stelle muss sich Community auch selber hinterfragen. Es ist was echt Schönes und Geiles, was da passiert. Ob das nun von Coca Cola, American Express, Intel oder Adidas getragen ist, ist völlig egal. Die sind alle positiv, denn sie helfen uns das zu tun, was wir mögen.
Hast du Marken im Kopf, wo du die Verbundenheit zum eSport besonders gemerkt hast oder ist der eSport ein gern genommener Nebenfaktor, um Geld zu generieren?
Wir haben Situation gehabt, in denen man relativ schnell gesehen hat, dass ein Partner verlässlich über das Vertragswerk hinaus ist. Intel ist da ein gutes Beispiel. Wir saßen mit Turtle Entertainment bei einem Event und hatten tatsächlich eine Unterdeckung der Veranstaltung kalkuliert. Es war ein schlichter Rechenfehler und es hat ein fünfstelliger Betrag gefehlt. Alle Verträge waren gemacht, das Event stand auf Go, aber wir konnten das nicht als Verlustgeschäft machen. Das hat die wirtschaftliche Lage nicht hergegeben. Ein Anruf bei Intel, mit denen wir den Vertrag gemacht hatten und die haben dann, ohne mit der Wimper zu zucken, den Vertrag hochgesetzt, um den fehlenden Betrag zu decken. Die hätten auch sagen können: Ne, ne. Wir haben hier was abgemacht und ihr müsst eure Leistung in Form des Events bringen, ansonsten klagen wir. Aber so hat das zehn Minuten und einen Anruf gedauert und das Thema war erledigt. Es war schön, das zu erleben.
Kannst du sagen, welches Event das war?
Ich glaub, das war ein CPL-Europe-Event in Berlin. Das ist wahnsinnig lange her. Aber das ist so ein Moment, der hängen bleibt, weil du weißt: Wir, Ralf Reichert und ich damals, haben da angerufen mit Schweißperlen auf der Stirn. Zehn Minuten später war die Kuh vom Eis. Und es gibt viele solcher Partner. Ob es bei uns nun HyperX über die Jahre oder auch Medion ist. Es gibt echt viele tolle Partner in dem Markt. Das gilt nicht nur für die Partner, die nun bei SK sind oder damals bei Turtle waren. Ich kann über die reden, weil ich es selbst miterlebt habe. Aber solche Geschichten werden auch andere Teams erzählen.
»Alexander Müller ist seit 2000 in führender Postion bei SK Gaming.«
Nun mal ein kleiner Themenwechsel. Du hast in deinem Vortrag die Geschichte des Gerüchtes zu den Gesprächen mit Bayern und SK erzählt, was letzten Endes auf einem Trollkommentar im Twitchchat eines eurer Spieler basierte. Das war jetzt ein Extremfall. Aber generell, wie blickst du auf den aktuellen eSports-Journalismus?
Nunja, das Bayern-Gerücht wurde dann aber auch von Leuten aufgenommen, die wiederum im eSport schon eine Verantwortung haben. Es gibt da einige, da tu ich mir schwer, denen das Prädikat Journalist zu geben. Denn wenn über mich in einem Artikel ein Statement steht, dann muss doch der Leser davon ausgehen, dass das so stimmt, was dort steht. Zum Beispiel wenn da ein Zitat von mir ist oder die Aussage, dass ich mich nicht äußern wollte. Aber wenn das gar nicht passiert ist, dann stellst du irgendwann die Frage: Was ist das denn für eine Pfeife? Ich habe weder die Zeit noch die Lust mich tagtäglich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Sie passieren aber immer wieder um uns herum. Es gibt halt immer wieder Leute, die diesen schmalen Grat zwischen Selbstdarsteller und Journalist nicht hinbekommen. Die ticken dann in Richtung: Ich bin ein Selbstdarsteller und muss mich profilieren, hier mit einer Breaking Story und da red‘ ich jetzt mal drüber. Es gibt ohne Frage immer irgendwo einen wahren Kern in jeder Geschichte. Aber die Wahrheit ist meistens eine andere. Wie ich auch schon immer Vortrag erwähnte: Man sollte sich heute im Selbstexperiment den
ESPN-Artikel zum Wechsel der Brasilianer zu uns und danach das FalleN-Interview, welches er so nie gegeben hat, auch wenn es so verkauft wurde, durchlesen. Danach sollte man sich fragen, wie konnte dieses Team im Juli für SK Gaming spielen? Es ist ein interessantes Selbstexperiment und man kommt relativ schnell zu dem Entschluss: Mit Journalismus kann das nicht viel zu tun gehabt haben, was dort geschrieben wurde. Natürlich ärgert uns das. Doch das führt relativ schnell dazu, dass wir sagen: Haken hinter und es gibt Menschen mit denen wir nicht mehr reden, denn es sind keine Journalisten. Sie haben kein Bedürfnis danach, eine Geschichte so zu erzählen, wie sie passiert ist, Meinungen gegeneinander aufzuwiegen und den Leser zu bewegen, sich seine eigene Meinung zu bilden. Sondern das sind Menschen, die einfach darauf aus sind, Drama und Klicks zu generieren. Und da halten wir uns raus, denn das ist nicht unser Ding.
»Es gibt halt immer wieder Leute, die diesen schmalen Grat zwischen Selbstdarsteller und Journalist nicht hinbekommen.«
Früher hatte SK Gaming auf der Webseite viele redaktionelle Inhalte. Die ganzen Highlightclips, die nun zum Beispiel im reddit auftauchen. waren früher zu 1.6-Zeiten alle auf der SK-Webseite. Inzwischen liegt der Fokus vor allem im Social-Media-Bereich. Siehst du da auch einen Trend im eSports-Journalismus, dass nur noch kurze Storys ohne große Redaktion von einem Social-Media-Redakteur aufgefangen werden?
Naja, wir machen es inzwischen einfach anders. Früher war es so, dass wir alles aus erster Hand berichten konnten. Die SK-Seite war sehr fortschrittlich, extrem gut und als Community sehr gut gebaut. Aber irgendwann konntest du nicht mehr die Ressourcen da reinstecken, da Teams nun mehr Ressourcen von SK Gaming als Organisation haben wollten. Da mussteste dich entscheiden: Bist du eine Community-Webseite und steckst dein Geld da rein, oder bist du ein eSports-Team und nimmst gute Spieler unter Vertrag. Und der Kern der Marke ist es, gute Spieler unter Vertrag zu haben. An irgendeinem Punkt musst du dich an einem Punkt davon verabschieden, eine große eSport-Webseite zu sein. Den Spagat kriegt man meiner Meinung nach nicht hin. Wir überlassen das gerne anderen, die da gerne einen extrem guten Job machen sollen. Und das darf dann auch gerne über Instagram, Facebook, Twitter, Streams und Videos befeuert werden. Be my guest. Aber wir erwarten von denen, dass sie einen genauso professionellen Job machen, wie wir es versuchen. Dann respektieren wir die auch. Dabei ist egal, wie groß die Seite ist. Wenn einer sich hinstellt und eine Geschichte richtig gut recherchiert, dann sind wir die ersten, die den Link mit aufnehmen. Das muss nicht positiv sein, das kann auch kritisch sein. Da haben wir keine Schmerzen mit, solange die Geschichte richtig ist.
»Der Kern der Marke ist es, gute Spieler unter Vertrag zu haben.«
Dann noch eine Frage zum Abschluss: Wo geht es mit SK in den nächsten Jahren hin? Wartet ihr auf neue Spiele, in die ihr einsteigen wollt oder gibt es erneut einen Fokuswechsel, wie es ihn für euch von LoL zu CS:GO gab?
Ich glaube, dass es im Moment ein bisschen schwierig ist, da etwas genau voraus zusagen. Wir haben auf der einen Seite das CS-Team, welches der Kern unserer Marke ist. Da könnte ich mir auch keinen besseren vorstellen. Deswegen gehen extrem viele Ressourcen dafür drauf, dass die Jungs sich wohlfühlen, dass es ihnen gut geht und sie so um die großen Trophäen mitspielen können. Das ist klar. Aber wir wissen auch, dass der Markt sich weiterentwickelt. LoL steckt so ein bisschen in der Sackgasse. Riot muss überlegen, wie sie aus dieser Sackgasse herauskommen und ob sie das Spiel wieder zu etwas entwickeln, bei dem die Zuschauerzahlen wieder zunehmen, sodass es wieder interessant wird, ein Team zu haben. Sie müssen überlegen, ob sie für uns Strukturen bereitlegen, um es für uns als Organisation wieder attraktiv zu machen. Genauso muss sich das ein Dota 2 (Publisher Valve, Anm. d. Red.) überlegen. Am Ende der Gleichung hast du dann vielleicht noch ein Overwatch, was sicherlich von Blizzard getrieben schauen muss, wo eigentlich seine Position im eSport ist. Irgendwo dazwischen sind wird. Wir wissen im Moment nicht genau, wer was macht. Wir brauchen einfach mehr Informationen, um damit arbeiten zu können. Fakt ist, wir hätten gerne ein zweites, sehr großes Team bei uns in einem dieser Tier-1-Spiele. Welches das sein wird, hängt von so vielen Faktoren ab, dass ich im Moment überhaupt keine strategische Linie vorgeben kann. Wir diskutieren auch sehr viel intern und wir sind uns eigentlich alle einig, dass es aktuell zu schwer zu sagen ist: Ja, das ist es.
Ist das aber vielleicht auch ein wenig der Reiz in der eSport-Branche?
Natürlich! (lacht) Wir waren eine der ersten Organisationen, die Vainglory gemacht hat und haben das versucht. Wir sind sehr spät auf den StarCraft-2-Hype aufgesprungen und haben dennoch mit Jang ‚MC‘ Min Chul einen der brillantesten Spieler einen Zeitraum bei uns gehabt. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten mit diesem Thema umzugehen. Ich hab so ein paar Sachen im Kopf, aber die sind noch fern der Umsetzung, sodass es noch keinen Sinn macht darüber zu spekulieren. Vor allem nicht in einem öffentlichen Rahmen. Das macht man dann gerne in so einem Hintergrundgespräch, wo man sich von dem einen oder anderen einen Rat holt. Wir haben ein paar Sachen in unserem Ärmel, die wir gerne umsetzen würden. Eine ist relativ konkret. Da würde ich mich extrem freuen, wenn sie klappt. Das wird sich schon in den nächsten drei oder vier Monaten abzeichnen und sollte eine Riesenüberraschung in dem Markt sein. Aber da schauen wir mal…
Vielen Dank für das Interview.
Fotoquelle: Twitter DeSchlang
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