Südkoreas Dominanz im eSport – Hintergedanken #1

10.01.2018 16:20

Südkorea dominiert in League of Legends – oder besser: im eSport allgemein – schon seit Jahren wie kein anderes Land auf der Welt. Doch warum ist das überhaupt so? Gibt es konkrete Gründe dafür, dass scheinbar niemand den Jungs von der asiatischen Halbinsel das Wasser reichen kann, oder wären westliche Teams in der Lage, auf Augenhöhe mit den Teams aus Fernost zu spielen? Und welche Rolle spielt eigentlich China dabei, die Lücke zwischen West und Ost zu schließen?

Warum dominiert Südkorea?
Die Gründe dafür könnten offensichtlicher kaum sein: Südkorea hat als erstes Land auf der Welt den eSport als richtigen Sport anerkannt und die Stars der Szene werden gefeiert, wie hierzulande Fußball-Weltmeister. Außerdem ist Südkorea das einzige Land auf der Welt, in dem der nationale eSport Verband teil des olympischen Komitees ist. Der League of Legends-Spieler Song ‚Smeb‘ Kyung-ho wurde aufgrund dessen im letzten Jahr als südkoreanischer Fackelträger für die olympischen Winterspiele ausgewählt, die im Februar 2018 in Pyeongchang abgehalten werden. Smeb ist damit der erste Pro-Gamer der Welt, der eine olympische Fackel tragen wird. Zu der staatlichen Förderung – als, man möchte fast sagen Nationalsport – gesellen sich eine stark ausgebaute digitale Infrastruktur und ein in der Gesellschaft vorherrschender Ehrgeiz und Leistungsdruck. Dem eSport wird somit ein perfekter Nährboden geschaffen, um sich voll entfalten zu können.

Song ‚Smeb‘ Kyung-ho wird als erster Pro-Gamer die olympische Fackel tragen

In der westlichen Szene gelten Spieler aus Südkorea als besonders diszipliniert – zumindest im Vergleich mit europäischen oder amerikanischen Spielern. Diese Disziplin und der große Respekt vor den eigenen Coaches, der generell im asiatischen Raum selbstverständlich ist, verschaffen den koreanischen Teams noch einen weiteren Vorteil im internationalen Vergleich: Es wird weniger diskutiert, wodurch die Teams besonders dann schneller zu einer Lösung kommen, wenn schnelle und präzise Entscheidungsfindung gefragt ist.

Korea machts vor, der Westen machts nach
Besonders stark kommt die koreanische Dominanz im Moment in League of Legends zum Ausdruck. Sobald auf der Halbinsel ein bestimmter Pick oder eine Strategie etabliert wird, kann man davon ausgehen, dass innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen jedes europäische Team die ’neue Meta‘ beherrscht. Korea ist also Vorreiter in Sachen Innovation, doch das bringt nicht nur Vorteile mit sich. Schließlich ist etwas nur, weil es von den besten Teams der Welt neu entdeckt wurde, nicht automatisch auch das beste, was das Spiel gerade zu bieten hat.

SKT T1 aus Südkorea wurde bereits dreimal Weltmeister in League of Legends

Die Problematik in diesem koreanischen Trendsetting liegt darin, dass die westlichen Teams, welche die Strategien und Picks aus Asien einfach kopieren nicht immer verstehen, wie das Kopierte richtig einzusetzen ist. Außerdem verbirgt sich darin noch ein weiterer Punkt, der auf den ersten Blick nicht direkt auffällt. Seit einigen Jahren, konkret – seit Südkorea jede Weltmeisterschaft in League of Legends gewonnen hat – sprechen Experten darüber, dass die Lücke zwischen Korea und dem Westen immer kleiner wird. Jedoch kann diese Lücke sich nicht verkleinern, wenn die westlichen Teams nicht anfangen, auch eigene Strategien und Picks zu etablieren. Wenn man weiter daran festhält, nur zu kopieren, was in Korea gespielt wird, dann ist es fast schon unmöglich, die Lücke zu verkleinern, oder gar zu schließen, da die koreanischen Teams ihre eigenen Strategien am besten von allen beherrschen – und folglich sowohl Stärken, als auch Schwächen dieser kennen.

China als Vorreiter
Schaut man sich die letzte Weltmeisterschaft in League of Legends an, sieht man im Halbfinale vier Teams: zwei aus China, zwei aus Südkorea. Allgemein sind die Weltmeisterschaften bei League of Legends gerade für den Zuschauer in der Hinsicht interessant, dass die verschiedenen Metas der einzelnen Regionen aufeinander treffen. Nun kommt hier allerdings wieder die bereits erwähnte Problematik auf den Plan: Im Westen werden lediglich Varianten der koreanischen Meta gespielt, es werden kaum noch eigene Strategien mitgebracht. Im Gegensatz dazu stehen die Teams aus der chinesischen Liga, denn dort wird seit Jahren wesentlich aggressiveres League of Legends als in allen anderen Regionen gespielt und demnach unterscheiden sich auch die Picks und Strategien von denen der Konkurrenz.

Der chinesische Superstar Jian ‚Uzi‘ Zi-Hao stand 2013 und 2014 im Finale der LoL-Weltmeisterschaft

Chinas Stärke liegt darin, dass man neben den asiatischen Klischees, die man mitbringt (Ehrgeiz, Respekt vor dem Coach etc.), auch den Mut dazu hat, sich auszuprobieren und eigene Innovationen zu etablieren. Das dies noch nicht auf den Westen übergegriffen hat, liegt wohl daran, dass der Weltmeister bei den letzten fünf Weltmeisterschaften jeweils aus Südkorea kam. Teams aus China erreichten dabei immerhin zwei mal das Finale. Europäer oder gar Amerikaner im Finale? Fehlanzeige.

Was bringt die Zukunft?
Das Spieljahr 2018 ist in den Anfangstagen und wenn man sich die Teams der EU und NA LCS anschaut, so wird eine Sache sofort klar: Es spielen in der kommenden Saison so wenige Koreaner mit, wie schon seit Jahren nicht mehr. Vielleicht ist das der erste Schritt, den die Teams in Richtung eigener Akzente wagen, vielleicht auch nur ein neuer Trend, der das Gegenstück zum ‚Korean Exodus‘ nach der Weltmeisterschaft 2014 darstellen würde. Damals etablierte es sich bzw. galt es als modern, zwei Koreaner im eigenen Roster zu haben. Wie sich das ganze entwickeln wird, steht allerdings noch in den Sternen und die Spieler müssen zeigen, dass sie gegen die asiatische Übermacht anhalten können.

Bildquellen: LoL Esports, Red Bull, Rift Herald

Gregor V

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