E-Sports und Forschung: Status Quo, Chancen und Potenziale

21.06.2019 21:34

Gastbeitrag von Timo Schöber

Der E-Sports befindet sich gegenwärtig auch in Deutschland in einer Boom-Phase mit einem stark exponentiellen Wachstum. Prognosen gehen davon aus, dass der E-Sports in Deutschland bis 2020 ein Marktvolumen von 130 Millionen Euro haben wird. Während die wirtschaftlichen Weichen klar auf Wachstum stehen, erlebt der E-Sports auch im gesellschaftlichen und politischen Diskurs einen Wandel. Hat man elektronische Sportler in weiten Teilen der Gesellschaft bis vor wenigen Jahren als eher seltsame Gruppe von Außenseitern wahrgenommen, hat sich dieses unzutreffende Vorurteil inzwischen aufgelöst. Klassische Sportvereine gründen eigene Profi- und Breiten-E-Sports Abteilungen, Schulen klären zum Thema auf und in der Politik diskutiert man eine Anerkennung des E-Sports als Sport, mit entsprechender Förderung und der Chance auf Gemeinnützigkeit für Breitensport-Vereine.

Ein wichtiges Fundament, das in anderen Lebensbereichen unerlässlich für die Aufarbeitung eines Themas ist, konnte beim E-Sports bisher nicht vollends Schritt mit den rasanten Entwicklungen in Deutschland halten: Die Forschung. Fertige Dissertationen in deutscher Sprache oder von deutschen Universitäten finden sich kaum, während auch eine umfassende Grundlagenforschung teilweise noch in den Kinderschuhen steckt.

Dennoch entstehen auch in Deutschland spannende Untersuchungsergebnisse, Statistiken und wissenschaftliche Arbeiten. In erster Linie sind hier Studien und Forschungsarbeiten der Sporthochschule Köln interessant, vorwiegend durchgeführt von Ingo Froböse, die dezidiert aufzeigen, dass E-Sports an vielen Stellen sportlichen Anforderungen genügt. So seien etwa der Stresshormon-Spiegel und die Herzfrequenz bei Profispielern im Wettbewerb ähnlich hoch, wie die von Formel 1 Rennfahrern. Auch andere Untersuchungen der Sporthochschule kommen zu aufschlussreichen Ergebnissen, die deutlich machen, dass E-Sports ein Sport ist.

An der DSHS Köln gibt es eine eigene Forschungsgruppe zum Thema E-Sport ©eSportwissen/DSHS

Wo viel Geld im Spiel ist und sich Marktteilnehmer mit unterschiedlichen Interessen treffen, ist juristische Sicherheit ein hohes Gut. An der Universität Augsburg ist vor wenigen Monaten eine unabhängige Forschungsstelle für E-Sports-Recht entstanden. Im Fokus der Forschungsstelle stehen vor allem die Fragen, ob E-Sports ein Sport im juristischen Sinne ist, wie Breitensport-Vereine eine Gemeinnützigkeit erlangen können und wie sich Visa-Problematiken vermeiden lassen.

Auch ganz direkt durch E-Sportler selbst findet vermehrt eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas statt. Bachelor- und Masterarbeiten, als auch Dissertationen zum E-Sports werden immer häufiger geschrieben, teilweise mit ganz unterschiedlichen Themenfeldern. So entstehen Arbeiten, die sich mit Geschäftsmodellen beschäftigen, andere wiederum beleuchten Marketing- und Tourismusaspekte, während sich Studenten an sportlichen Fakultäten mit dem E-Sports als Sport beschäftigen.

Ein Projekt mit einem immensen Potenzial ist die sich in Planung befindliche E-Sports Akademie in Heide, Schleswig-Holstein. Diese soll an der Fachhochschule Westküste gründet werden, an der bereits gegenwärtig intensiv zum E-Sports geforscht wird. Durch die Gründung der Akademie sollen diese Forschung intensiviert, Potenziale genutzt und neue Felder implementiert werden. Im positiven Sinne wäre eine solche Einrichtung die Brutstätte der deutschen E-Sports Forschung und der wissenschaftlichen Aufarbeitung des E-Sports als Ganzem.

Auch in Schleswig-Holstein soll die Forschung im E-Sport intensiviert werden
© Pixabay/GamingGrounds

In eigener Sache: Auch ich persönlich beteilige mich. Mit „Bildschirm-Athleten“ habe ich im letzten Jahr das erste umfassende Sachbuch im deutschsprachigen Raum veröffentlicht, das vielfach als Quelle für wissenschaftliche Arbeiten herangezogen wird. Mit Esportionary.net haben wir jüngst die erste deutsche Denkfabrik zum Thema gegründet und ich bin als akademischer Mitarbeiter an der Europa-Universität Viadrina in Sachen ESports unterwegs. Mir liegt also die E-Sports Forschung sehr am Herzen.

Warum ist Wissenschaft wichtig? Die wissenschaftliche Untersuchung des und die Forschung zum E-Sports sind deshalb wichtig, weil sie Transparenz schaffen, Potenziale erkennen, das Phänomen objektivieren, Argumente im politischen Diskurs schaffen, die gesellschaftliche Aufklärung forcieren und Synergieeffekte zu anderen Branchen offenlegen.

Es ergeben sich aus dem E-Sports enorme Chancen und Potenziale, die es zu nutzen gilt – und zwar für alle Beteiligten. Eine enge Zusammenarbeit sowie das gemeinsame „Wir“ sind an dieser Stelle von hoher Bedeutung, um den E-Sports insgesamt voranzutreiben. E-Sports Forschung bildet dabei das Fundament, weil sie aufzeigt, wie Prozesse, Mechanismen und Systeme funktionieren und verbessert werden können. Es ist daher sehr erfreulich, dass auch die Wissenschaft zum E-Sports anfängt mit der insgesamt rasanten Entwicklung des Sports Schritt zu halten.

Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Jahre.

Bildquelle: esportwissen

Jonas Bugaj

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